Wer: Jochen Topf
Wann: Die., 23.06.2009; 17:15 - 17:45
Wo: Kino
Abstract:
Das OpenStreetMap-Projekt (www.openstreetmap.org) hat sich zum Ziel gesetzt, in einem an die "Wikipedia" angelehnten Community-Prozess eine Karte der ganzen Welt zusammenzustellen. Basierend auf GPS-Tracks und Luftbildern arbeiten weltweit mehrere zehntausend Freiwillige daran, Straßen und Wege, Parks und Flüsse, Briefkästen, Tankstellen und vieles mehr in eine zentrale Datenbank einzugeben. Aus der Datenbank heraus können dann je nach Anwendung passende Karten erstellt werden. Die Geodaten lassen sich aber natürlich auch für beliebige andere Anwendungen, wie zum Beispiel die Navigation, verwenden. Die Daten sind unter einer offenen Lizenz erhältlich und für jeden frei nutzbar.
Auch bei der Auswahl der zu erfassenden Daten und der Attributierung setzt OpenStreetMap (OSM) auf Offenheit. Jeder kann alle Daten eintragen, die ihm wichtig erscheinen. Durch Übereinkunft in der Community entsteht mit der Zeit ein Kanon an "wichtigen" Daten, es bleibt aber die Möglichkeit, auch neue Ideen umzusetzen. OpenStreetMap geht damit deutlich über das Ziel einer Straßenkarte hinaus. Spezialkarten für Fahrradfahrer oder zum Beispiel auch eine Karte mit Skiliften und Skipisten werden aus OpenStreetMap-Daten erzeugt. Die Offenheit führt zu neuen Ideen, sie fördert die Innovation und sie gibt vielen Menschen die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen und die Daten zu erfassen und zu nutzen, die sie selbst für interessant oder notwendig erachten.
Das Projekt entstand aus der Frustration heraus, dass viele Kartendaten überhaupt nicht oder nur für viel Geld erhältlich sind und oftmals restriktiven Lizenzen unterliegen. Anders als in den USA, in denen von der Verwaltung mit Steuergeldern erhobene Geodaten vielfach öffentlich und ohne Lizenzeinschränkungen zur Verfügung stehen, ist es in Europa immer noch schwierig, an Geodaten zu kommen. Da, wo die Daten überhaupt erhältlich sind, verstrickt man sich in einen Dschungel von Lizenzverträgen. Die rechtliche Situation im Bezug auf Geodaten zwischen Urheberrecht und Datenbankdirektive der EU ist unübersichtlich. Insbesondere für Privatpersonen und kleinere Firmen oder Organisationen stellt das oftmals ein unüberwindbares Hindernis dar.
Das OSM-Projekt durchschneidet diesen gordischen Knoten, in dem es Geodaten neu erfaßt. Wie bei Open-Source-Software und bei der Wikipedia ist es die Community, die die Arbeit leistet und dadurch auch die Bedingungen der Nutzung festlegen kann. OpenStreetMap hat mit diesem Ansatz in nur wenigen Jahren aus dem Nichts eine Weltkarte geschaffen, die in vielen Gegenden bereits mehr Details zeigt als die meisten proprietären Karten. Viele europäische Städte sind bereits komplett erfaßt, aber inzwischen tut sich auch in anderen Gegenden der Welt viel. In einigen Entwicklungsländern ist OSM sogar der einzige Anbieter nennenswerter Kartendaten.
Importe aus öffentlichen oder anderen Quellen sind hilfreich, um OpenStreetMap voranzubringen. Insbesondere solche draußen "unsichtbaren" Daten wie Verwaltungsgrenzen sind mit den üblichen OpenStreetMap-Mitteln nur schwer zu sammeln. Das Projekt hat hier immer wieder Erfahrungen im Umgang mit Behörden und anderen Einrichtungen gesammelt. Erfahrungen, die oft geprägt waren von Einzelpersonen mit gutem Willen, die ihre Daten gerne dem Bürger frei zur Verfügung stellen wollen, die aber an Lizenzen, der (verwaltungs-)rechtlichen Wirklichkeit und dem Zuständigkeitswirrwarr gescheitert sind. Die Politik ist hier gefordert, dem Bürger mehr Zugriff auf die Geodaten zu geben. Die INSPIRE-Richtlinie der EU ist ein erster Schritt, der zwar auf technischer und organisatorischer Ebene Fortschritte bringen wird, aber die rechtliche Situation nicht vorangebracht hat. Weiterhin sind Lizenzen zu unterschreiben und Geld zu bezahlen.
OpenStreetMap setzt dieser Komplexität einen ganz einfachen Ansatz entgegen: Wir freuen uns über alle Daten, die wir bekommen. Aber wo wir keine bekommen, machen wir sie uns selber! Bislang ist das Projekt damit erstaunlich gut gefahren.
Vortragender:
Jochen Topf ist seit 2006 im OpenStreetMap-Projekt aktiv, er ist Co-Autor des Buches "OpenStreetMap: Die freie Weltkarte nutzen und mitgestalten" und Geschäftsführer der Geofabrik GmbH in Karlsruhe, die Dienste und Support rund um OpenStreetMap anbietet.
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